Ausbeutung direkt vor unserer Haustür

Ausbeutung direkt vor unserer Haustür

Menschenhandel und Arbeitsausbeutung geschehen in jedem Land. Auch in der Schweiz, bei uns im Baselbiet.

So berichtet u.a. die letzte Ausgabe der Gewerbezeitung «Standpunkt der Wirtschaft» von einem durch die Arbeitsmarktkontrolle in Pratteln auf einer Baustelle entdeckten Fall. Vom Ausland zugeführte Arbeitsnehmende waren massivem Lohn-Dumping und Arbeitszeiten von bis zu 60 Stunden pro Woche unterworfen.

Ausbeutung hat zahlreiche Gesichter: Weltweit sind je nach Angaben 40 bis 50 Millionen Menschen Opfer von Menschenhandel. Beinahe die Hälfte davon sind Frauen, mehr als ein Drittel Kinder. Sexuelle Ausbeutung (Prostitution, Pädophilie, Pornographie, Zwangsheirat) und Ausbeutung der Arbeitskraft (Zwangsarbeit in Haushalten, Schuldknechtschaft, Bettelei etc.) sind die verbreitetsten Formen dieses Verbrechens. Laut dem Bundesamt für Polizei (fedpol) ist Menschenhandel «nichts weniger als moderne Sklaverei». Auch die Schweiz ist Ziel- und Transitland. Menschen werden zur Ware. Gehandelt, um ihre Körper für Sex zu verkaufen. In Abhängigkeit gehalten, um ihre Arbeitskraft auszubeuten.

Menschenhandel existiert in Europa vor allem in Form von sexueller Ausbeutung und Ausbeutung von Arbeitskräften. Lange wurde der Menschenhandel in der Schweiz vor allem mit Prostitution und Ausbeutung von Frauen in Verbindung gebracht. Die Ausbeutung der Arbeitskraft nimmt zu. Der grösste Teil findet im Baugewerbe, der Gastronomie und in Privathaushalten statt. Jährlich werden rund 500 Opfer identifiziert und unterstützt. Noch immer sind ein Grossteil davon Frauen. Doch vermehrt sind auch Männer betroffen. Ihr Anteil stieg in den letzten vier Jahren von 9 auf 23 Prozent an. Die häufigsten Herkunftsländer bei uns ausgebeuteter Personen waren im Jahr 2022 Ungarn, Brasilien, Kolumbien und Rumänien. Erkenntnisse über Art und Ausmass des Phänomens Menschenhandel sind leider noch immer lückenhaft. Die Zahl der erfassten und verfolgten Straftaten ist niedrig. Experten gehen von einer enorm hohen Dunkelziffer aus.

Ausbeutung ist in der Schweiz ein Low-Risk-Geschäft. Es wird kaum geahndet und ist deshalb äusserst lukrativ. Das muss sich ändern. Die EVP Schweiz hat bereits 2019 die Resolution «Menschen sind keine Ware» verabschiedet. Sie führt einen konsequenten Kampf gegen Menschenhandel und Ausbeutung. Mittels ausgelösten Gesetzesänderungen, Einstehen für mehr Ressourcen in den Bereichen Fahndung, Bekämpfung, Ausstiegshilfen und Bewusstseinsbildung wirkt die EVP zusammen mit weiteren Organisationen wesentlich an Verbesserungen mit. In den letzten vier Wochen haben einige Veranstaltungen stattgefunden, um die Bevölkerung auf die unerhörten Verbrechen und Verletzungen der Menschenrechte aufmerksam zu machen.  So zum Beispiel die sechste Ausgabe der Aktions­wochen «die Schweiz gegen Menschenhandel» und der weltweit an verschiedenen Orten organisierte «Walk for Freedom». Würde mich freuen, am 19. Oktober 2024 die diesjährig 60 Personen, die in Basel Schritt für Schritt gegen die moderne Sklaverei antraten, zu toppen.    
 

Andrea Heger, Landrätin EVP, Hölstein