EVP Baselland Votum zu Motion «Standesinitiative Individualbesteuerung»

EVP Baselland Votum zu Motion «Standesinitiative Individualbesteuerung»

Seit Jahren hängt das Damoklesschwert der sogenannten «Heiratsstrafe» in der Luft, wenn Paare überlegen, wie sie ihre gemeinsame Zukunft gestalten wollen. Als Heiratsstrafe wird verstanden, wenn Paare, die verheiratet oder in eingetragener Partnerschaft leben, im Vergleich zu Konkubinatspaaren aufgrund des Zivilstandes finanziell schlechter gestellt sind.

Dies ist bei der Bundessteuer der Fall

Bei gemeinsam besteuerten Paaren wird das Einkommen zusammengerechnet. Aufgrund der progressiv ausgestalteten Steuersätze kann dies bei den Vorgenannten zu höheren Steuertarifen führen als bei zwei Einzelpersonen. Wie in der Motion von Pascale Meschberger erwähnt, sind bisherige Versuche, diese Ungerechtigkeiten abzubauen gescheitert. Zumindest ist dies auf Bundesebene stossenderweise immer noch der Fall.

Kantone passten Ihre Gesetze an, der Bund aber nicht!

Aufgrund eines Bundesgerichtsentscheides von 1984 dürfen die Kantone die Ehepaare nicht stärker belasten. Bei einer Differenz von mehr als 10 Prozent liege eine Diskriminierung vor. Daher passten die Kantone ihre Gesetze an, der Bund jedoch nicht. Das ist sehr stossend.

Individualbesteuerung - Gleichstellung der Geschlechter

Wir von der EVP begrüssen, dass sich Bundesbern mit der vor rund einem Jahr verabschiedeten Legislaturplanung zum Thema Gleichstellung und via parlamentarisch verlangter Botschaft zur Individualbesteuerung aktuell wieder Schwung in der Debatte rund um die Heiratsstrafe gekommen ist. Und dank dem Vorstoss von Pascale Meschberger ergibt sich nebst der aktuell ebenso laufenden Unterschriftensammlung zur Volksinitiative zur Individualbesteuerung auch bei uns im Kanton Gelegenheit, sich zu einer diesbezüglich idealeren Besteuerung auszutauschen.

Arbeitsanreize für Zweiteinkommen

Als Hauptgründe für die Einführung der Individualbesteuerung werden die Gleichstellung der Geschlechter, die Benachteiligung der Hausarbeit sowie die Erwerbsarbeit der Frau angeführt. Mit der Individualbesteuerung sollen Arbeitsanreize für Zweiteinkommen (meist von der Frau eingebracht) gesetzt werden.

Aus finanzieller Sicht stellt sich für ein Paar die Frage, wie hoch die Steuermehrbelastung ausfällt, wenn das Arbeitspensum erhöht wird. Wenn z.B. eine Frau nach einer Babypause ein Arbeitspensum von 20% aufnimmt, ist die Steuermehrbelastung beim Splitting höher als bei der Individualbesteuerung. Denn der Grenzsteuersatz baut beim Splitting-Modell auf dem Einkommen des verdienenden Partners auf (der aufgrund der Steuerprogression höher ist). Bei der Individualbesteuerung ist die Steuerbelastung - und damit der Abhalteeffekt von der Arbeit – tatsächlich tiefer.

Splitting berücksichtigt auch Haus- und Care-Arbeiten

Doch für uns von der EVP greift es gesellschaftspolitisch zu kurz, so einseitig und in jedem Fall auf die Erwerbsanreize zu setzen. Es scheint uns ein schlechter Zug, respektive unsere Gesellschaft würde enorm Schaden nehmen, wenn die Benachteiligung der Haus- und Care-Arbeit damit aufgewogen werden soll, sie gegen bezahlte Arbeit/Erwerbsarbeit auszutauschen. Das schadet unserem Ziel der grösseren Wertschätzung, respektive der Anerkennung der Gleichwertigkeit von Care- und anderen Arbeiten. Wir sind ebenso dafür, dass jede Familie selbstverantwortlich entscheiden soll, zu welchem Zeitpunkt welche Aufteilung von Erwerbs- und Haushaltsarbeit für ihre Situation am angemessensten ist. 

Die Anliegen der EVP lassen sich mit einem Splitting-Modell besser vereinbaren

  1. Ehepaare bzw. Familien sollen nebst der Liebes- auch als wirtschaftliche Gemeinschaft betrachtet und behandelt werden. Zwei Menschen heiraten, weil sie gemeinsam durchs Leben gehen und den Lebensunterhalt gemeinsam bestreiten und oft auch gemeinsam für Kinder sorgen wollen.
     
  2. Ehepaare mit Kindern sollen sich frei für ein Familienmodell entscheiden können. Einverdiener-Ehepaare sollen nicht benachteiligt werden. Die Individualbesteuerung jedoch, will die Arbeitspartizipation von Eltern (insbesondere Frauen) um jeden Preis erhöhen. Dabei werden die Familien unhaltbar ans Gängelband genommen und Benachteiligungen in Kauf genommen. Die Steuerbelastung von Ehepaaren, die sich für ein Arbeitsmodell 50:50 entscheiden, werden gegenüber Ehepaaren mit einem 100:0 Modell klar bevorzugt. Wer beispielsweise aufgrund der Kinderbetreuung, Freiwilligenarbeit, Hausarbeit oder der Pflege und Betreuung von Angehörigen keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, könnte plötzlich keine Abzüge mehr für Krankenkassenprämien, Weiterbildung, Spenden etc. geltend machen, während Paare, die beide Teilzeit arbeiten die Abzüge weiterhin voll geltend machen könnten.  

Splitting-Modelle berücksichtigen das Gesamt-Haushaltseinkommen und sind unabhängig von der Aufteilung der Arbeitspensen der Ehepartner

Das heisst, dass Paare die 50:50 arbeiten gleich besteuert werden wie Paare, die 100:0 oder 80:20 oder solche mit 80:40 gleich wie solche mit 60:60 usw.. Die gemeinsame Steuer eines Ehepaares soll nur von der Summe der Einkommen beider Partner abhängen und nicht von der Verteilung des Einkommens zwischen den Partnern. («Globaleinkommensbesteuerung» genannt)  

  1. Die Kantone haben die Ehestrafe abgeschafft. Die meisten haben das mit einem Splittingmodell gemacht, weil es einfach und verständlich ist.

Mit der Regierung Baselland teilen wir die Sorgen bezüglich der bürokratischen Aufwände 

Es ist für uns daher nicht nachvollziehbar, weshalb gerade die FDP-Frauen sich für die Individualbesteuerung stark machen.

  1. Der Wechsel zur Individualbesteuerung löst auf verschiedenen Ebenen einen riesigen bürokratischen Aufwand aus. Sie müsste für sämtliche Steuerhoheiten (Bund, Kantone und Gemeinden) auf den gleichen Zeitpunkt hin umgesetzt werden. Die Kantone haben die Heiratsstrafe bereits abgeschafft, kein einziger ist auf die Individualbesteuerung geschwenkt. Zudem müsste künftig jede Person eine eigene Steuererklärung ausfüllen. D.h. die Steuerbehörden müssten auf einen Schlag eine riesige Anzahl zusätzlicher Steuerveranlagungen bearbeiten.
     
  2. Auch für Ehepartner steigt der Aufwand an: Jede Person muss eine eigene Steuererklärung ausfüllen. Zudem müssen alle Abzüge klar auseinandergehalten werden. Für jede Zahlung muss geklärt sein, wer das bezahlt und wer es schliesslich abziehen kann. Was wiederum wegen Gefahr doppelter Abzüge - beispielsweise bei Spendenbescheinigungen, die an beide Personen adressiert sind - viel Nachkontrolle seitens Steuerbehörden bedarf.

Innerhalb der Ehe müsste vermehrt Steueroptimierung betrieben werden, um negative Effekte wegen der Progression zu umgehen. Wer bezahlt welche Spende? Wer kommt für die Kinderbetreuungskosten auf? Wer kauft das Haus, damit bei der richtigen Person die Unterhaltsbeiträge abgezogen werden können? Alle diese Fragen müssen sich heute Ehepaare nicht stellen.

 

Fazit: Zur Abschaffung der Heiratsstrafe bei den direkten Bundessteuern bevorzugt die EVP ein Splitting-Modell oder ein Mischmodell vor der Individualbesteuerung. Der EVP-Teil unserer Fraktion wird daher nebst den von der Regierung vorgebrachten Argumenten gegen eine Standesinitiative auch aus obgenannten Gründen dagegen stimmen. 

Tagblatt Bericht aus dem Landrat