Sommerferienzeit

Sommerferienzeit

Während am Anfang des Shutdowns die Solidarität und das gemeinsame Durchhalten schöne und eindrückliche Seiten hatte, ist jetzt leider nicht mehr viel zu spüren.

„Carte blan­che“ der Volksstimme vom 24. Juli 2020

Sandra Bätscher, Gemeindepräsidentin, EVP, Tenniken

Kürzlich hatte ich die Gelegenheit mich mit jemandem zu unterhalten, der mit der Schweizer Armee im Kosovo einen Friedenseinsatz leistete. Auf meine Frage, was er für sich aus dieser Zeit mitgenommen hat, kam die Antwort ohne ein Zögern: «Die Zeit im Kosovo hat mir wieder bewusst gemacht, welchen Überfluss wir in der Schweiz haben. Wie es ist, wenn man die persönlichen Bedürfnisse zurückstellen und auf Dinge, die man für selbstverständlich gehalten hat verzichten muss. Bescheidenheit und die Fähigkeit mein Leben in der Schweiz mit all seinen Möglichkeiten wieder zu schätzen anstatt mich über Kleinigkeiten zu beschweren oder aufzuregen möchte ich mir aus dieser Zeit als Lebenseinstellung erhalten.»

Das Coronavirus hat uns alle in eine aussergewöhnliche Situation gebracht. Aber während am Anfang die Solidarität und das gemeinsame Durchhalten schöne und eindrückliche Seiten hatte, scheinen nun die Geduld und die Nerven aufgebraucht zu sein und die Menschen in ihre alten Muster zurück zu fallen. Was mich erstaunt und auch ein wenig betrübt. Hatte ich doch die leise Hoffnung, dass die Erfahrungen aus der Zeit des Shutdowns dazu führen, dass man sich wieder bewusster wird, dass wir zusammen mehr erreichen können und dass wir aufeinander angewiesen sind.

Doch davon ist schon jetzt nicht mehr viel zu spüren. Es sind sowieso schon die seltsamsten Sommerferien, die ich je erlebt habe. Beide Reisen die ich geplant hatte sind dem Coronavirus zum Opfer gefallen. Eine findet hoffentlich im Oktober noch statt, je nachdem wann die zweite Welle winkt. Die Hochzeitsfeier in Nordmazedonien, zu der ich eingeladen war, wurde um ein Jahr verschoben. So bin ich nun also hier und kümmere mich um Nachbarschaftsstreitigkeiten. Die man, wie ich meine, einfach lösen könnte. Man müsste nur den Weg zum Nachbarn unter die Füsse nehmen und mit ihm reden. Dieser Lösungsansatz scheint aber nicht die erste Wahl zu sein. Viel lieber lässt man sich in den Sozialen Medien verlauten, liegt auf der Lauer um Fotos von den Vergehen zu machen und verlangt von der Gemeinde, sie solle sich doch bitte um das Problem kümmern. Was mich wieder zum Kosovo-Einsatz und der Erkenntnis bringt, dass wir uns hier manchmal über Kleinigkeiten aufregen, die, mit etwas Gelassenheit und Grosszügigkeit betrachtet, gar nicht so schlimm wären. Zumal man selber genau dieses Wohlwollen, wenn es um die eigenen Bedürfnisse geht, schon fast als Selbstverständlichkeit von seiner Umgebung erwartet. Ist es denn wirklich nicht möglich, dass wir das Beste aus diesem wirklich schönen Sommer machen und uns gegenseitig mit Wohlwollen anstelle von Argwohn und Missgunst begegnen?

«Viele Menschen wissen, dass sie unglücklich sind. Aber noch mehr Menschen wissen nicht, dass sie glücklich sind» Alber Schweitzer hatte wohl recht – schade eigentlich.